Von der Freiheit, die Freiheit zu haben, über Freiheit entscheiden zu können

Manchmal wusste ich in dieser Episode nicht, ob ich lauthals lachen oder vor blankem Entsetzen weinen sollte. Doch von Anfang an:

Irgendwie und irgendwann ergab es sich im Jahresverlauf 2009, dass ein recht guter Bekannter in eine Art Fernbeziehung mit einer Ukrainerin rutschte. Sie lernten sich auf einer internationalen Tagung kennen und dann lieben. Da sich die Einreise für Bürger aus der Ukraine nach Europa weitaus schwieriger darstellt als umgekehrt, besuchte er sie in der Ukraine mehrfach. Alles lief so vor sich hin bis im Februar bzw. März dieses Jahres der Kontakt erst schmaler wurde und dann bis auf einzelne ganz wenige Lebenszeichen abbrach.

Auf einer weiteren Tagung letzten Monat hier Deutschland konnten die beiden endlich wieder mal von Angesicht zu Angesicht Worte wechseln. Was war passiert? Die ukrainische Mama versuchte nach seinem letzten Besuch ganz offenbar die Beziehung zu untergraben und machte folgende Dinge ganz klar: Ihre Tochter dürfe ausschließlich mit einem ukrainischen Landsmann anbandeln; andere ist sie nicht bereit zu akzeptieren. Da die betreffende junge Dame allerdings auch international anerkannte Abschlüsse vorzuweisen hat, war es der Mutter auch wichtig, gleich noch klarzustellen, dass sie ihre Tochter niemals ins Ausland abwandern lassen wird. Es muss vermutlich üble Wirrungen gegeben haben, denn die zuguterletzt landete die junge Dame in ärztlicher Behandlung wo sie zunächst mit Medis etwas runtergefahren wurde. Wie das nun mit den beiden weitergeht, ich habe keine Ahnung. Das wird die Zeit zeigen.

Für mich persönlich erschreckend empfand ich das zum Vorschein kommende, antiquierte Weltbild, in welchem erwachsene Kinder tunlichst das zu befolgen haben, was ihre Eltern für sie entscheiden und alles was außerhalb des eigenen Kulturkreises steht, generell schlecht ist.

Allerdings, und hier kam ich ins Grübeln, ist das wirklich ein antiquiertes Weltbild?

Wenn man sich umschaut, kommt es weitaus häufiger zum Vorschein, als ich es mir vorstellen konnte: Schweift man in Deutschland in die tiefste Provinz ab, hat man als Zugezogener keinen leichten Stand, insbesondere wenn man sich nicht in die lokale Sozialstruktur einfügt. Das gilt aber eben genauso für Kleingartenkolonien im Gürtel größerer Städte und deren Einzugsgebieten. Und wenn man ehrlich ist und mal genau hinschaut, das weltoffene und liberal-aufgeklärte Weltbild, es findet sich nicht so weitläufig, wie ich persönlich es mir wünsche.

Aber, und das ist denke ich ganz wichtig, der freiheitliche Ansatz im Weltbild gebietet es auch, nicht über andere Denk- und Weltvorstellungen pauschal zu urteilen. Ganz getreu dem Motto „Jeder nach seiner Fasson“ widerspricht es dem freiheitlichen Weltbild, anderen Menschen deren Denk- und Weltvorstellungen vorzuschreiben bzw. ihnen deren Weltvorstellung von oben herab schlechtzureden. Man kann als einzelner in Funktion eines Evangelisten den weltoffenen liberal-aufgeklärten Ansatz leben und versuchen, diesen anderen schmackhaft zu machen. Das allerdings darf nicht durch Schlechtreden oder Kritisieren geschehen.

Im Kontext des eingangs geschilderten Problems in der Ukraine bleibt damit festzuhalten, dass Einmischen eine ganz schlechte Idee ist. Sollte die junge Dame also tatsächlich an der Beziehung zu einem westlichen Ausländer festhalten, ist es an ihr, die familiären Hierarchien aufzubrechen und ein neues Verständnis zu vermitteln. Aber, ob sie das will und dann auch noch schafft, das ist eine andere Frage.

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