Soziale Medien – Wir leben uns auseinander

Was ist passiert? Hat sich die Welt, insbesondere die Welt der sozialen Medien oder habe ich mich verändert? Fragen, die mir seit geraumer Zeit durch den Kopf gehen.

Um meine Gedanken in einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu setzen: Meinen Twitter-Account habe ich seit August 2007, ein Facebook-Profil seit Anfang 2008. Unterm Strich treibe ich mich also seit mehr als zehn Jahren in den sozialen Medien herum und in diesem Verlauf hat sich aus meinem Erleben eine Menge geändert.

Vielleicht waren wir naiv, aber am Anfang kommunizierten wir aus reinem Spaß: Ja, wir teilten unseren Tagesablauf, wir kannten auch den weitaus größten Teil der Menschen mit denen wir uns austauschten. Wen man nicht kannte, den lernte man auf Blogbars und teilweise spontanen Meetups kennen. Es war faszinierend anzusehen, dass auf einmal Menschen Bilder von Ereignissen (wie z.B . die Bergung  von Passagieren von Flug 1549 im Hudson River von den Fähren aus fotografiert) teilten, diese sich binnen weniger Stunden global verbreiteten und sogar in den Nachrichten der echten Medien landeten.

Doch mit diesem Zuwachs in der Reichweite kamen immer mehr Nutzer (wer erinnert sich noch an wer-kennt-wen.de oder studivz?) irgendwann auch bei Facebook oder Twitter an und damit kamen Unternehmen, kam Marketing und die berühmte Monetarisierung. Nirgendwo sonst wurde diese Wandlung vom Spaßprojekt zum Multimilliarden-Dollar-Geschäft für mich bisher besser beschrieben, als in dem Beitrag von John Lanchester in „Über Facebook – Du bist das Produkt“.

Der Fokus änderte sich also. Es ging nicht mehr um den reinen Spaßfaktor, Menschen formulierten Nachrichten in den sozialen Medien um Reichweite, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Hatte man eine ausreichende Anzahl an Followern wurde man für Unternehmen, für die Marketingwelt interessant. Produkte werden kostenfrei gestellt, damit sie erwähnt werden. Auf Facebook werden Enthauptungsvideos von fanatischen Extremisten gepostet und die Basis von Fake-News entsteht. Die sozialen Medien verlieren ihre Moral und ihren Anstand, sie werden zum Spielball von einflußreicheren, moralbefreiten Institutionen, weil sie für Geld alles machen.

Parallel erfuhren wir durch Edward Snowden, wie in erster Linie US-amerikanische und britische Geheimdienste das Internet global und verdachtsunabhängig überwachen.

Gleichzeitig wurde ich älter, wurde Vater und so entfernten sich soziale Medien und ich voneinander. Wenn ich mir heute Facebook, Instagram oder Twitter anschaue, haben die Plattformen ganz eindeutig den Menschen als zentralen Fokus ihres Handeln durch Geld – den schnöden Mammon – ersetzt. Der eine mag es normal finden, ein anderer kennt es vielleicht nur so, mir jedenfalls stößt das seit geraumer Zeit sehr übel auf und es führt zu einer zwangsläufigen Abstinenz. Mir selbst fehlt schon etwas, was mal fester Bestandteil meines Lebens war. Doch mit dem Wissen von heute kann ich vieles nicht mehr ruhigen Gewissens von der analogen in die digitale Welt übermitteln.

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